Ania (Szoszana) Grzęda - Kliger
Shoshana fourth to the
right and Halina Birenbaum near her, in a trip of a group to Poland in
1986, Wawel Palance, Krakow
Ich habe gelernt nach der deutschen Besetzung Warschaus im Gymnasium, aber es waren nur ein paar Tage und dann nicht mehr fur die Juden. Wir haben gelernt in kleinen Gruppen zu Hause. War das in der Fretastr.? Nein, das war nicht mehr in der Franciszkańska Strasse, sondern schon in einer anderen Wohnung. Die Eltern haben gewohnt in Zamenhof.
Du meinst, diese Gruppen waren schon im Ghetto?
Nein, das war noch vorher. Ich habe gehabt einen Freund, der mir gesagt hat, als die Deutschen Warschau okkupiert haben... Du weisst das, als die Deutschen Warschau okkupiert haben, haben die Deutschen fur ein paar Tage die Schulen geoffnet. Dann haben sie sie geschlossen unter dem Vorwand, dass Thyphus ausgebrochen sei. Und dann bin ich schon in diese Schule nicht zuruckgekommen. In welcher Klasse warst du? Das war im Gymnasium. Hast Du Geschwister gehabt? Ja, ich hatte einen jungeren Bruder. Einmal ist zu mir gekommen ein Freund, und er hat gesehen, dass ich alleine lerne. Da hat er gesagt, dass man der Dzielnastr. 24 in solchen Gruppen lernt.
Du hast dort nicht gewohnt? Du bist nur zu diesen Kursen gegaangen? Ja. War das schon damals in Hebraisch? (Zionistische Organisation, Dror = Freiheit) Nein, man hat polnisch gelernt. Wir waren ale Gymnasiasten. Habt Ihr damals schon der Organisation angehort? Ja, aber man hat daruber nicht gesprochen.
Man hat Dich spater aufgenommen und Du warst damit einverstanden? Ja. Wie ist es dazu gekommen, dass Du angefangen hast, diese Zeitungen zu verteilen? Und dort warst du ein Jahr? Ich war dort bis zum 23.
Am 23 Juli, einen Tag nach Beginn der "Aktion". Und bis dahin hast du dort gewohnt? Ja. Dein Eltern waren damit einverstanden? Weisst du, nicht immer fragt man die Eltern. Es gibt ein Alter, weisst du, ich habe uberhaupt keine Jugend gehabt. Ich hatte die Kindheit und von da bin ich in das Erwachsensein ubergetreten. Was mir fehlt, sind die Jugendjahre. Wieso hat sich das alles vereinbaren lassen mit dem Ghettoaufstand?
Damals hat man noch nicht so viel gesprochen wegen Aufstands, sondern Widerstand zu leisten. Und du warst damit beschaftigt, die Zeitungen zu verteilen? Ja, es waren Leute, die regelmassig die Zeitung bekommen haben. Am 23. Juli haben wir eine Liste gehabt mit Hausern, die geraumt werden sollten. Man hat uns geschickt, damit wir die Leute warnten, sie sollten weglaufen oder sich verstecken. Unter diesen Hausern war auch das Haus meiner Eltern. Ich bin ganz fruh am Morgen zu meinen Eltern gegangen, um ihnen das zu sagen. Meine Mutter sagte mir, dass mein Vater einen Tag zuvor aus dem Haus gegangen sei und nicht zuruckgekommen war. Hat man ihn gefasst? Wahrscheinlich. Nein, ich habe ihn nicht mehr gesehen.
Und dann bin ich zum Umschlagplatz gelaufen, um meinen Vater zu suchen. Du hast gedacht, dass er dort sei? Und du bist hineingegangen?
Nein. Haben sie dich nicht hereingelassen? Bei dem Eingang habe ich mich gebuckt, um meine Schnursenkel zu binden, und aus meiner Tasche fiel ein Exemplar der Zeitung heraus. Und so fing es an. Aber du warst vorher noch bei deiner Mutter, um sie zu warnen? Am Abend ist man zu ihr gegangen und teilte ihr mit, dass man mich verhaftet hatte (die Freunde). Und sie (die Mutter) hat geantwortet: Ich habe verstanden, dass ich schon keine Tochter mehr habe. Und das Kind (der jungere Bruder) war bei ihr?
Ja. Wahrscheinlich hat sie keinen Mut mehr gehabt, um sich zu verstecken? Ich weiss nicht, was mit ihr geschehen ist, aber der Stein in Treblinka mit der Aufschrift Warschau ist fur mich ihr Grab. Und wer hat dir das erzählt? Warst du gleich im Pawiak? Hat man dich dort geschlagen?
Ja. Aber das war nicht im Pawiak. Hat er dich nicht direkt ins Pawiak geführt? Das war nicht er, es waren mehrere (Deutsche). Sie haben mich in einem Auto hingebracht und sie haben mich in die Żelaznastr. Dort war die deutsche Polizei stationiert. Sie haben daruber ausgefragt, von wem ich diese Zeitung bekommen habe. Und sie haen gleich gewusst, dass es eine Untergrundzeitung war? Ja.
Ich habe darauf bestanden, die Zeitung gefunden zu haben. Und ich wusste uberhaupt nicht, was drinstand. Aber das hat mich nicht so sehr geholfen. Und dann hat man mich ins Pawiak geführt. Haben sie dich im Pawiak auch verhort? Nein, sie haben mich in die Schuchallee (Gestapohauptquartier). (WDH vorher) Wer hat dir die Zeitung wirklich gegeben? Dort in der Dzielnastr.
(Gruppe) Und du weisst, wer das war? Ja, ich weiss auch, wer das geschrieben hat. Ich habe geschwiegen. (= nicht ausgesagt) Sie haben aufgehort, mich zu Verhoren zu holen. Ich bin in einer Zelle gesessen, in der, wenn man sie heute besucht, Zelle Nr. 8, steht dort
geschrieben, dass es die Zelle fur die zum Tode Verurteilten war.
Wieviele waren dort? Es waren dort viele, es kamen immer wieder andere. Wenn man jemanden auf der Strasse auf der arischen Seite gefasst hat, hat man sie ins Pawiak gebracht, denn es ging um Abstammungsangelegenhaiten. Waren dort Politische oder Judinnen?
Waren Judinnen nicht gleich zum Tode verurteilt? Ja, und ich habe gleich angegeben, dass ich Judinn bin. Man hat mich im Ghetto verhaftet, und ich war dort. Aus dieser Zelle hat man jedesmal jemanden herausgeholt, und anschliessend hat man einen Schuss gehort. Jedesmal, wenn man den Schlussel im Schloss gehort hat, hat man gedacht, wer wurde diesmal gerufen. Und manchmal hat man andere gebracht. Andere hat man herausgeholt. Und so ging das ein paar Monate, das war bis Januar 1943. Habt Ihr in dieser Zeit etwas zu trinken, zu essen bekommen?
Durftet Ihr auf die Toilette gehen? Ja. Es herrschte Hunger. Man hat uns zu bestimmten Zeiten zur Toilette gefuhrt. Hasdt du gewusst, dass im Ghetto "Aktionen" stattfanden und dass man die Menschen deportiert? Ja. Wer hat dir damals im Pawiak von deiner Mutter erzahlt?
Eine Freunmdin? Erst in Majdanek, als die Transporte nach dem Ghettoaufstand ankammen. An welchem Tag im Januar bist du nach Majdanek angekommen, war das Anfang Januar? Am 17. Januar 43. Es gab eine grosse Razzia in Warschau, man hat sehr viele Menschen gefasst Polen? Ja. Die Polen haben auch keinen Honig geleckt. Ich behaupte, dass man daruber nicht so viel weiss. Und dann haben sie einen Transport nach M. geschickt. Und mna wusstet nicht, wohin man euch bringen wurde? Hat man euch zusammen mit denen nach Majdanek geschickt, die bei den Razzien gefasst wurden? Nein, die hat man in Pawiak gelassen.
Ich denke, sie haben damals 311 Frauen laut einer Liste herausgeholr, und ich war auch auf der Liste. Ich wusste nicht, wohin. Das war am Abend, bei Nacht. Wir sind an einem Bahnhof angekommen und haben gelesen "Lublin". War das nicht so schlimm, habt Ihr bereits etwas uber Majdanek gewusst? Dass es dort ein Lager gibt? Wir wussten nichts Genaues. Dann hat man uns nach Majdanek gebracht. Waren damals noch nicht viele Menschen dort? Gab es schon einen Zaun mit elektrischem Stacheldraht? Gab es damals noch nicht so viele Barackenm? Nein, aber es gab 5 Felder. Vor uns waren dort russische Gfeangene und Juden. Aus der Slowakei. Als Ihr angekommen seid, waren sie noch dort? Wart Ihr ein paar hundert Frauen? Es war noch nicht organisiert. Hast du gleich gearbeitet? Nein. Es gab kein Wasser, aber es hat geschneit, und wir haben nicht nur Schnee gegessen, wir haben uns damit auch gewaschen.
Wieviele wart Ihr dort? Waren alle Frauen inm einer Baracke? Ja. Waren auch Krystyna und Ewa mit dir dort? In der ersten Nacht, als wir lagen, damals gab es noch keine Betten, jagen wir auf dem Boden auf Stroh, und es war so schrecklich end. Wenn sich einer umgedreht hat, mussten sich alle umdrehen. Neben mir ist eine kranke Frau gelegen mit sehr hohem Fieber. Sie hatte Gurtelrose. Ich, um ihre Situatiom zu erleichtern, bin aufgestanden. Und als ich so gestanden bin, ich weiss nicht, wie lange, kam Kazia zu mir, und sie fragte mich, warum ich stehe. Ist sie auch aufgestanden, um dich das zu fragen?
Ja, Ewa hat sie geschickt. Sie hat gefragt, warum ich stehe, da habe ich ihr erzahlt, dass ich wegen der kranken Frau aufgestanden bin. Kazia sagte: Komm zu uns, wir werden zusammenrucken und ein bisschen Platz fur dich manchen. Von damals ist meine Bekanntschaft mit Kazia und Ewa. Bis heute? Ja, Ewa lebt noch? Ja, aber sie ist schon nicht mehr bei klarem Bewusstsein. Was ist mit Kazia? Sie war jetzt hier zu Jom Kippur. Wie ist ihr Zustand jetzt? So...so... Hat man euch in diesen Baracken Pritschen gegeben?
Ja. Gab es damsls schon Zahlappelle am Morgen und am Abend? Nach ein paar Tagen haben sie uns auf einem Platz konzentriert und angefangen, unsere Namen aufzuschreiben. Und man hat auch mich registriert. Und damals war Stefan, von dem du mir erzahlt hast? Warte, ich werde zu ihm kommen.
Am nachsten Morgen nach dem Appell hat man mich gerufen in die Schreibstube. Dort war eine Aufseherin, ich erinnere mich nicht mehr an ihern Namen, und weil ich gesagt habe, dass ich kein Deutsch verstehe, hat Stefan, der Volksdeutscher war, Ukrainer, er war mein Dolmetscher. Und sie haben mich gefragt, ob ich Judinn sei. Da sagte ich, ja.
Du hast deinen Namen gesagt? Ja. Sie haben mich gefragt, was ich hier tun wurde. Da habe ich gesagt: Was heisst das, was ich hier mache? Man hat mich gerufen, da bin ich gekommen. Und sie haben nachgeforscht und fanden meinen Namen auf der Liste. Aber es sagte: Es gibt keine Juden in Majdanek jetzt. Waren nur Polinnen dort aus dem Pawiak?
Warst du die einzige Judinn? Es gab noch einige Judinnen dort, aber sie hatten "arische" Papiere. Ich war alleine. Dann sagte er, dass in der Umgebung von Lublin Lager fur Judin gabe. Und man wurde mich dorthin uberfuhren. Er hat nicht auf mreine Zustimmung gewartet. Aber Tatsache ist, man kam nicht, um mich zu uberfuhren. Er hat gesagt, man wurde mich uberfuhren, aber er ist nicht gekommen. Es gab dort nicht mehrere Juden, wegen einem hat es sich nicht gelohnt.
Nein. Bis heute weiss ich nicht, nach dem 3. November, denn sie haben damals alle Papiere aussortiert. Nachdem sie alle ermordet haben? Nachdem. Jeden Abend haben sie Namen ausgerufen, wer sich bei der politischen Abteilung melden sollte.
Eines Tages hat man auch meinen Namen ausgerufen. Es waren alle meine Freundinnen gekommen, sie haben sich von mir verabschiedet. Musstest du gleich gehen, als man dich gerufen hatte? Nein, erst am nachsten Morgen. Mitten in der Nacht hat mich eine Freundin gerufen, die "arische" Papiere hatte, sie blieb am Leben. Wusstest du damals, dass sie Judin ist?
Ja. Sicher. Sie hat mich gefragt, wozu ich mich entschlossen habe. Ich habe ihr gesagt, dass mein Ende gekommen sei. Sie hat gesagt: Nein, das ist nicht dein Ende. Probiere ihnen zu widerstehen. Ich komme jetzt von der Baracke der russischen Frauen. Ich habe gehort, dass es eine Stadt Selva gibt, die schon befreit ist. Die Russen sind schon dort. Leugne, dass du aus Warschau kommst. Ich verlasse mich auf dich, dass dir etwas
einfallen wird, was du erzahlst.
Nein, ich mache das nicht, mir reicht es. Ich kann das nicht mehr ertragen. Ich werde nicht von hier weggehen, bist du mir versprochen hast, dass du es versuchen wirst.
Sie war deine Freundin? Sie war meine Bekannte? Und ich habe gesagt, dass ich genug habe. Ich weiss, dass von dort niemand zuruckkommt. Um sie loszuwerden, habe ich gesagt: Gut, in Ordnung. Sie ging weg, und am nachsten Tag hat man mich zur Politische. Abteilung gebracht. Ist eine Lauferin gekommen oder jemand in Uniform? In Uniform. Sie haben nicht nur mich gerufen, sondern auch einige andere. Und als wir in der Polit. Abt. ankamen, habe ich Stefan gesehen. Er war der Dolmetscher.
Und da beschloss ich, dass ich sagen wurde, ich sei Judinn. Wahrend ich in Majdanek war, haben sich unsere Blicke getroffen, aber wir haben nie ein Wort gewechselt. Ich wusste z.B. auch nicht seinen Familiennamen.
Aber unsere Blicke haben sich getraoffen. Und ich habe mich entschieden, ihn nicht zu belugen. Und als man meinen Namen ausgerufen hat, ich sollte hineingehen, sagte er, dass er herausgehen muss zum Telefon. Und man hat einen anderen Dolmetscher eingesetzt.
Und bis heute weiss ich nicht, ob er es mit Absicht getasn hat oder ob er wirklich ans Telefon musste.
Niemand kam herein, um ihn ans Telefon zu rufen? Ich weiss nicht. Ich weiss nicht. Ich weiss nicht.
Stefan ist nicht zuruckgekommen. Vielleicht hat er den anderen geschickt? Ich weiss nicht. Ich will das Ratsel nicht losen. Ich mochte nur wissen, wo er ist und auch mit ihm sprechen. Und dann hat die Erzahlung angefangen. Ich habe gesagt, ich stamme aus Selva, und ich war im Warschauer Ghetto wegen Schmuggelns von Waren. Und ich dachte, wenn ich sagen wurde, dass ich Judinn sei, ware das weniger strafbar. Weil es den Nichgtjuden nicht erlaubt war, das Ghetto zu betreten? Ja. Das war die letzte Nachforschung der Deutschen.
Und hast du einen anderen Namen gesagt? Nein. Denselben Namen hast du gesagt? Ja, ich habe einen wunderbaren Namen gehabt: Grzęda, Ania.
Ich musste nicht lugen. Und ich habe keine Papiere gehabt. Und am Morgen, als ich nicht zur Arbeit kam, fragte Lotti Meier, wo ich sei.
Ich habe ihre gesagt, dass ich J. sei. Und plotzlich bin ich zuruckgekommen. Da sagte sei: Gott sei Dank, dass du wieder da bist.
War sie vorher auch gut zu dir? Ja. Sie hat jemanden in die SS-Kuche geschickt, eine Lauferin, sie sollte ihr Mittagessen bringen fur mich. Hast du dort immer Hundger gehabt? Ja, das war schrechklich. Bei der Nachforschung hat man dich geschlagen?
Ja. Und am Ende haben sie dir geglaubt unbd notiert, dass du keine Judinn bist? Vorher haben sie mir etwas zum Unterschreiben gegeben. Und du hast unterschrieben?
Nein, ich wollte nicht. Ich habe gesagt, dass ich nicht unterschreiben wurde, weil es eine Luge sei. Man hatte mich nicht so erzogen. Dann habe sie geschreiben, dass ich "rein arisch gepruft" sei. Habven Sie dir das Papier in die Hand gegeben? Nein. Man hat mir erzahlt, was dort steht, und dann habe ich unterschrieben.
Bist du dann zuruck zur Arbeit gegangen? Und war das noch immer die Nahstube? Hast du dort von Anfang an gearbeitet?
Nein eine Zeitlang habe ich in der Waschkuche gearbeitet, in der Kuche, in der Gartnerei (Ogródki).
Habt Ihr gahabt eineBlockalteste, einen Stubendienst? Ich habe gehabt, denn das war ein Block, wo Haftlinge aus dem Pawiak gewohnt haben. Ihnen hat man alle Posten gegeben. Ware das so bis zum 3. November? Ja. Wusstet Ihr, dass so viele Menschen getotet werden wurden? Man hat uns am Morgen nicht zur Arbeit geschickt. Hat man euch nach dem Appell gesagt, nicht zur Arbeit zu gehen?
Ja. Doch haben wir gesehen, dass man sehr viele Menschen vorbeigefuhrt hat in Richtung des 6. Feldes. Warst du nicht dort? Ich war auf dem ersten Feld. War die Wascherei und die Nahstube auch auf dem ersten Feld?
Nein, das war auf dem Weg. Dort war eine Strasse. Auf einer Seite haben die Haftlinge gewohnt, auf der anderen Seite waren die Magazine ... Da habe ich so viele Male Stefan gesehen. Und damals nach diesem Appell habt ihr gesehen die vielem menschen?
Ja, und dann hat so eine schrecklich rauschende Musik angefangen. Und dann hat man angefangen zu verbrennen. Was verbrennen? Die Korper. Aber vorher hat man doch geschossem. Man hat die Graber ausgrehoben. Man hat das vorbereitet.
Habt Ihr das gesehen? Nein, weil ich auf dem ersten Feld ear, ich war auf dem sechstren. Man konnte das verbrannte Fleisch riechen und den Rauch sehen. Nachmittags hat es angefangen mit "Alle Juden raus!"
Als sie mit den Juden in den Lagern rings um Lublin fertig waren, haben sie angefangen mit M. Da waren die Haftl. aud dem Warschauer Ghetto, aus Bialystok und andere. Seid ihr beim Appell zusammen mit denen gestanden, die spater gekommen waren?
Ja. Und dann haben sie angefangen wie Verruckte zu schreien: Alle Juden raus". Ich wollte auch herausgehen, dann hat Stefa mir den Fuss gestellt. "Du Teufel, drang dich nicht, rauszugehen. Warte, bis man dich rufen wird." "Wohin gehst du, zum Teufel, man hat doch nicht deinen Namen gerufen. Ich bin geblieben. Als nur wenige Juden ubrig geblieben waren, haben sie angefangen die Papiere zu kontrollieren. Viele Baracken sind dann leer geblieben. Dann hat man mich zur politischen Abt. bestellt.
Hast du weiterhin in der Nahstube gearbeitet? Ja. Ich war in Majdanek bis zum Jahr 1944 bis das Lager aufgelöst wurde. Ich war nicht in dem letzten Transport. Uns hat man vorher nach Ravensbrück gerbracht.
Was heisst das, die Insassinnen der ganzen Baracke? Das hing davon ab, wo sie gearbeitet haben. Hat man diejenigen, die im Rewvier gearbeitet haben, nicht wegebracht. War Kazia auch dabei?
Nein, sie war schon vorher nach Ravensbrück gebracht worden. Sonst ware sie am 3. November gegangen, als man alle Juden herausrief. Wie lange warst du in Ravensbrück? Ich war ein paar Wochen lang dort. Und von dort hat man uns zu einem Aussenlager von Buchenwald gebracht zu Haassag zu einer Munitionsfabrik. Wo war das? In Leipzig. Nur Frauen waren dort. Wir waren froh uber die Bombardierungen. Die Amerikaner haben bei Tag bomben geworfen und die Englander bei Nacht. Ich war auch in Dresen, das war auf dem Todesmarsch. Und man hat uns von der Ostfront in den Westen gebracht.
Die Russen sind gekommen und die Alliierten vom Westen und uns haben sie immer hin- und hergeschickt. Wir haben auf dem Weg kein Essen bekommen.
Wo endete der Marsch? In Dresden. Dort hat man euch zur Ruhe gelasasen? Nein. Aber er (Churchill) hat gute Arbeit geleistet, und ich bedaure das nicht. Hat man euch dort freigelassen?
Nein, wir sind gefluchtet. Wir waren zu funft. Bei Nacht sind wir weggealufen und haben uns in einem Wald versteckt. Dann am Morgen sind wir ins Dorf gegengen, das dem Walds gegenuber lag. Plotzlich haben wir ein ganze Reihe von Soldaten gesehen, so haben wir uns wieder imn Walds versteckt. Das waren dien Russen, und damit begann ein neues Problem. Sie haben vergewaltigt?
Ja. Und dann bist du nach Warschau zuruckgekommen? Nein, ich hatte Angst. Bist du in Deutschland geblieben?
Ich bin nach Westen gegangen. Wir hatten Angst vor den Russen, nach Leipzig. Wohin seid ihr gegangen? Das hat einige Zeit gedauert. Und dann haben wir Angst gehabt, mit den Soldaten mitzufahren. Wir haben von den Deutschen Handwagen genommen und unsere Sachen, mitgefuhrt. Es ist bekannt geworden, dass in einem deutschen Stadtchen eine Burg wo in einer Umgebung die Englander an das polnische Militar gegeben haben. nd dort hat ein polnisches Gymnasium geoffnet fur die Soldaten. Das war in einem polnischen mitiltarischen Camp. Und wir sind von einer Burg zur anderen gegangen. Unterwegs gingen wir in deutsche Hauser, um und zu waschen. Wir haben Essen verlangt. Und wenn die Deutschen uns keines geben wollten, haben wir gedroht, wir wurden mit Soldaten zuruckkehren. Bis wir zur richtigen Burg kamen, das hat 2 Wochen gedauert. In dieser Burg haben wir angefangen zu lernen. Dort habe ich das polnische Abitur gemacht. Das war westliech von Dresden, in Waldheim.
Wie bist du nach Israel gekommen? Nach einem Jahr. Die zweite Sprache, die ich gelernt habe, ist Frz. und ich wollte gehen nach Belgiren oder Grenoble. Ich habe versucht, ein Stipendium gebeten, aber man sagte mir, dass es keines mehr gebe. Sie vertrosteten mich auf das darauffolgende Jahr. Doch das wollte ich nicht, so fuhr ich zuruck nach Polen zu Stefa nach Warschau.
Warum hast du Warschau verlassen? Bist du wieder nach Deutschland gegangen? Nein, in die Cssr, dann nach Österreich und durch die Berge nach Italien. Dam,als war ich schon mit einer anderen Gruppe zusammen. Ich war damals schon mit J. zusamen.
Warst du wieder mit den Leuten von Dror zusamen? Sie haben mich gefunden. Bei Stefa habe ich erfahren, dass Kazia in Lodz ist, so habe ich sie einen Tag besucht. Dort habe ich Zeitungen von Poalej Cyjon Smal (Linke Arbeiterzionisten) gefunden. Und dort habe ich bekannte Namen gefunden, darunter Tuwja Bożykowski. Er war mein Guide in dem Krieg in Warschau. Ich habe einen Brief an ihn geschrieben. So: Wenn du stehst, dann setz dich hin, wenn du sitzt, dann lehne dich an. Es schreibt dir ...Nach ein paar Tagen hat man mich abgeholt. (zionist. Bewegung). Sie haben nicht geglaubt, dass ich noch lebe. Man hat geschriebne, dass ich tot sei.
Bist du legal ind Land gekommen?
Ich bin mit meinem Mann gekommen aus Frankreich. Ich bin von Marseille geflogen nach Italien. Gab es damals keine Schiffe? Und ich habe in der Brigada gedient. Er war der Leiter, der die Arbeit von allen Guides, die nach Europa geschickt worden waren, koordinierte.
Wo hast du ihn kennengelernt? In Polen, in Lodź. Und damals seid ihr schon zusammen gewesen? Nein. Bist du mit ihm nach Palastina gekommen?
Ja. Bist du mit ihm in den Kibbuz gekommen? Ja. War das der Anfang von dem Kibbuz? Nein, es gab ihn bereits seit 1932. Nahe zu Tira, arabisches Dorf. Damals gefährlich. Du kannst das jetzt schliessen.
Mit Halina Birenbaum und Barbara Schwindt, 1998
The Testimony
of Ania (Szoszana) Kliger (Hebrew) ...
אניה (שושנה) קליגר: נס ה-3 לנובמבר
במיידאנק
Ania - Szoszana Kliger - cud ocalenia 3 listopada na Majdanku... (Polish) ; w wywiadzie z Haliną Birenbaum i Barbarą Schwindt 1998 (Polish)
Halina Birenbaum
Ein Fragment von Buch "Jeder Zurick Gewonene Tag"
Nach monatelanger Spannung in unterirdischen Verstecken, nach den schlimmsten Erwartungen, nach Verurteilungen, die das Blut in den Adern gefrieren lassen, immer schlimmeren Nachrichten und Geschehnissen, inbrunstigen Gebeten zur Rettung und verfuchtgten Hoffnungen, dem Erwachen von der Macht des Todes. Menschenmassen, die aus den Viehwaggons nach einer alptraumhaften Fahrt vom Umschlagplatz: Verwandte, Bekannte, Nachbarn verschwinden irgendwo hier an einem unsichtbaren Ort, bedeckt mit dem Schleier eines dunklen Geheimnisses - und sie kehren nicht zuruck. Erschreckendes Flustern, furchtbare Vermutungen (Vorahnungen), Unsicherheit bei jedem Schritt, bei jedem Augenblick und bei jedem Atemzug. Iregdein Lager erscheint in der Ferne. Wie gut, dass es nicht Treblinka ist! - eine trugerische Hoffnung und Erleichterung fur kurze Zeit. Das bedeutet, dass man hier nicht totet, debattieren die Menschen aufgeregt...
Denn wo sind alle verschwunden, die man uns entrissen hat? Wie eine schwarze, steinschwere Wolke druckt die schreckliche Frage, auf die man lieber die Antwort nicht kennen will, um die trugerische Hoffnung festzuhalten, dass sie irghendwo in einem anderen Lager leben. Doch die feindliche Antwort hangt in der Luft, wir spuren sie, wie die Tiere, die einen kommenden Waldbrand wittern, eine Todesgefahr. Geruchte legen sich wie ein Schatten auf die Seele, bestatigen, dass es nicht weit von hier hinter diesem Stacheldraht eine Gaskammer und ein Krematorium gibt. Wahrscheinlich auch hier. Nicht nur in Treblinka. Tag fur Tag geht voruber in Pein, einer schlimmer als der vorherige. Schreck, Hunger, Schmutz, Kalte oder brennende Sonne - armselig gekleidet. Krankheiten, Zwangsarbeit, Schlage, Angst - eine schwache(winzige) Hoffnung zu uberleeben trotz allem. Zahlappelle, endloses Stehen am Morgen und am Abend nach der
Arbeit, Selektionen, Aussondern - zum Leben, zum Tod.
Plotzlich, eines Tages beim Zahlappell ein Befehl: Stehenbleiben, Aufstellen in Funferreihen! Frost geht durch die Glieder. Ins Bad! - kreischende Kapos. Der Frost verfuchtigt sich fur eine Weile.
Vielleicht wirklich ins Bad? Vielleicht werden sie uns einmal erlauben, uns zu waschen? Sie jagten uns. Unter der Bewachung der Kapos. In Richtung Bad, so scheint es. Der Gedanke geht uns nicht aud dem Kopf, dass ein Bad hier bedeutet - Tod.
Ein spater sonniger Nachmittag. Sommer, Grun, endlos wunderbar blauer Himmel, Licht und Stille. Ein herrlicher Tag, normaler, warmer wie so viele andere Sommertage. Man hort kein Schiessen und keine Bomben - Krieg. Eine unbeschreibliche Spannung in uns, in der Luft, die uns umgibt! Wir atmen die einzige Frage: Wohin wirklich?! Wir gehen in
der Sonne, in einer zusammengedruckten eigenartigen Masse in gerade abgeteilten Reihen, geeint durch das unvermeidliche gleiche Los. Wir marschieren in diesem herrlichen Licht und dieser erhabenen Stille, die die Nsatur um uns herum einhullt - aber wir fuhlen deutlich, schmerzhaft, dass wir schon nicht mehr dazugehoren. Das grune Gelande uberflutet von der Sonne - fur uns nur eine Richtung, es gibt kein aanderes Gelande als das, auf dem wir gehen. Altern um Jahrzehnte bei jedem weiteren Schritt. Man kann sich nicht entziehen, wg zur Seite - nur nach vorne zu jenem geheimnisvollen, endgultigrn Ort! Machtvoll die Natur - die Grosse unserer Ohnmacht, unsere absolute Ratlosigkeit. Irgendein Gebaude erscheint, irgendein susslicher Geruch. Ein hollisches Flustern - hier?! Hier sind fur ewig alle verschwunden, die mit uns gekommen sind und nicht ins Lager hineingehen durften - alle Selektierten. Jetzt wir. In dieser SStille und Schonheit eines Sommertags, normal, wie fruher, wie vor langer Zeit. Derselbe Himmel, dieselbe Erde und Landschaft. Nichts verandert sich, nichts ruhrt sich! Eine unverstandliche Kraft trennt uns von diesem Hintergrund. Dies alles ist schon nicht mehr fur uns da, sogar nicht fur weitere Pein in der Holle des Lagers! Ein gefahrliches Bewusstsein vom Ende beschwert, als wurde ein Jahrhundert auf den Schultern, auf der Seele lasten. Tod, in so eine lebensvollen Natur!
Wir gehen wie bei einem Nachmittagsspaziergang geradewegs in seine Krallen, gefuhrt von einer erbarmungslosen Eskorte, von machtigen Sterblichen. Ins Bad?!
Ausziehen, schneller, schneller! Eine warme Dusche, eine schnelles Uberwerfen der verlausten Lappen auf die nachten, zerschlagenen Korper...
Wir kehren zuruck in einer Kolonne, Funferreihen, in der gleichen Eskorte auf die nackten Bretter in den uberfullten Baracken. Es begleitet uns ein roter Sonnenuntergang, dieselbe Ruhe (aber jetzt vielo milder!), duftendes Grun hinter dem Lager und der andere Geruch, am meisten bedeutsame Geruch. Von Gas, von Verbranntem!
Ja, diesmal ging es - nur ins Bad......
(S. 221-223) 20.3.96
Halina Birenbaum
Ich denke als jemand, der diese Brutalitat uberlebt hat, dass manche Schilderungen wie z.B. "das kulturelle-, das religiose Leben im Lager" oder "zu dieser Naziabt. gehorte die Gesundheit der Haftlinge und die Bekampfung von Epidemien" - und hier ist die Rede uber die Holle auf Erden! Um etwas Schlimmes wie der Tod. So diese Art von normalen Definitionen uber das, was dort geschehen ist, klingen fur mich absurd. Aber ich verstehe, dass auf irgend eine Weise muss man doch benennen jene Krumen des Lebens AM Boden der Holle. Diese ubermenschliche Erhebung, um noch an etwas zu glauben, ein Gedichtb schreiben, ein Lied summen uber dem eigenen Grab und der eigenen Asche von allen nahestehenden Menschen und die Generationen menschliche Werte wurden zusammen mit den Menschen in der Gaskammer ...getreten. Dort war Vernichtung fur alles. Werte wie kulturelles Leben oder relig. Leben konnten hier keinen Raum finden. Sie wurden auch getotet, auch wenn einige durchblitzten in edr allg. der Agonie. Ob dort uber haupt Leben war, ob jemand Epidemien bekampfen wollte?
Deutsch mit Barbara Achwindt 31.10.98
Halina Birenbaum
Unser siebzehnjähriger Sohn lehnte sich plötzlich gegen uns auf und beschloss selbstständig zu werden. Es geschah zu früh für uns. Für die Eltern ist es aber nie einfach, den Kindern eigene Erfahrungen oder die im Laufe der Jahre gesammelten „Weisheiten“ weiterzugeben. Die Jugend hat ihre eigene Logik und Kraft. Eltern - die „alte Generation“ - man hört nicht auf sie. Besonders Eltern wie wir, die hier nicht mal geboren sind und sich immer noch der unbekannten Sprache ihrer Herkunft bedienen.
Jakow fand eine Arbeit in einem Uhrgeschäft namens „Seyko“ in einer der Hauptstraßen Tel Avivs, in der Dizengoff Straße.
An einem Nachmittag betraten zwei Damen sein Geschäft. Sie wollten eine Uhr für ein Geburtstagsgeschenk auswählen. „Gefällt Dir diese Uhr hier, Halinchen?“, fragte auf Polnisch eine der Frauen.
„Meine Mutter heißt auch Halina“ - auf Hebräisch mischte sich der junge Verkäufer in das Gespräch ein. Unser Sohn versteht polnisch, da er es seit dem Kindesalter schon zu Hause gehört hatte.
„Deine Mutter heißt Halina und kommt aus Warschau?“, fragten sie verwundert.
Kurz danach telefonierten wir in diesem Geschäft miteinander. Vierzig Jahre nach unserer Befreiung aus Neustadt-Glewe!
Bluma und Halinchen. Das grub sich in mein Gedächtnis ein, vom ersten Moment an in Majdanek, danach in Auschwitz und weiteren Lagern in Deutschland.
Bluma war zwanzig. Sie hatte eine schöne und schlanke Figur, rabenschwarze Haare und warme, strahlende Augen, schwarz wie Kohle. Sie strahlte viel Kraft und Ruhe aus und wenn ich sie anschaute, begann ich wieder daran zu glauben, dass noch nicht alles vorbei sei und dass das Leben noch möglich ist.
Geistesabwesend schaute ich mich um, sah die komisch gekleideten Frauen, die auf uns gerichteten Maschinengewehre der SS-Männer auf den Türmen, die mit Strom aufgeladenen Stacheldrähte, die uns vom Rest der Welt trennten. Ich war völlig erschöpft von der stundenlangen Fahrt im Viehwagen, in dem ich beinahe von dem über mich träge zusammenfallenden Körperhaufen erdrosselt wurde. Verzweifelt und bestürzt nach der plötzlichen Trennung von meiner Mutter, die nach links abbiegen musste, zum Vergasen.
Die Mutter und meine Schwägerin liefen hinter mir her, so dass ich nicht mal bemerkte, wann und wie sie verschwand. Für immer. Die zwanzigjährige Frau meines Bruders verkündete, sie sei jetzt meine Mutter. Aber sie flehte mich ständig an, ich solle sie nicht so anstarren. „Deine Blicke machen mir Angst“, sagte sie. Ich hatte solche vor Angst weit aufgerissenen Augen.
Sie kümmerte sich sehr gut um mich. Ihre ganze Liebe zu meinem Bruder teilte sie noch mit mir und damit, glaube ich, rettete sie mein Leben. Danach erkrankte sie, erlöschte wie eine Kerze. Nach einigen Monaten starb sie in Birkenau.
Bluma fesselte immer meine Blicke auf sich, mit ihrer vitalen und energischen Haltung, in jeder Situation. Sie schaute immer nach vorn, kämpfte unnachgiebig, versuchte in jeder Arbei eine Chance zu sehen, immer stark und unschlagbar zu sein. Sie kümmerte sich um die vierzehnjährige Halinka, das blonde Töchterchen ihrer Nachbarn aus der Milastrasse, der Schwester des geliebten Jungen aus dem Ghetto. Die himmelblauen, großen Augen von Halinka waren merkwürdig ernst und voller Angst so wie meine. Bis heute halten beide Frauen zusammen, sind wie Schwestern.
Blumas Persönlichkeit, ihr Lächeln, der Glaube und der unermüdliche Kampf um das Leben ließen mich daran glauben, dass noch nicht alles entschieden und verloren ist.
Der Anblick ihrer glühenden Augen, die Zufriedenheit im Gesicht, die unglaubliche Lebendigkeit waren der Gegensatz zu dem Albtraum, den ich nach der Vertreibung aus dem Ghetto und aus dem Bunker, der mir für die kurze Zeit das Gefühl der Sicherheit gab, erlebte.
Ein unglaublicher Zufall führte uns wieder zusammen. Diesmal als Mütter erwachsener Kinder, mit Enkelkindern. In den grauhaarigen, dickeren und faltigen Frauen, die in ihren Shoah- Erzählungen mal polnische, mal hebräische Worte einflochten, konnte ich nicht jene mädchenhaften Gesichter aus dem Lager, in dem wir alle uns quälten, erkennen. Und doch das sind sie wirklich und das bin ich. Noch ein Beweis für Leben!
Wie viele Beweise brauche ich noch, um mir immer wieder zu vergewissern, dass die Shoah tatsächlich einmal statt gefunden hat, auf unserer Erde, dass ich damals dort war, dass wir dort waren- und dass wir heute trotzdem hier und am Leben sind!
Übersetzung aus dem Polnischen: Martyna Jednak
Halina Birenbaum
In the bunker. In the picture is shown a part of a bunker where me and my mother hid in ghetto Trembowla, my hometown, during an "akcja" (Aktion) on 7/4/1943. In the bunker we hardly breathed as nearly no air came from narrow pipes. I was nearly suffocated to death but the people inside saved me. All the people survived. Sophia Kalski née Körbholz.
Nicht jeder kann sich von den Erinnerungen des Holocausts mit Hilfe der Worte befreien. Meine Freundin Zosia malt unter ihrer Last. Ihre Wohnung sieht wie ein richtiges Studio aus. Mit ihren Bildern erzählt sie, was sie damals erlebt hat.
Sie war neun, als sie sich von ihrer Mutter trennen musste und mit ihrem Vater in Lemberg Rettung suchte. Zu Beginn der Besatzung dachten die Menschen, den Männern und den Kindern drohe die größte Gefahr. Die Mutter blieb also zu Hause in der Heimatstadt Trembowla.
Es begann das schwere Wanderleben und die Missachtung. Sie schliefen in den Hausfluren, auf den Treppen. Dann in der Zeit der Razzia und Blockaden fanden sie ein Versteck auf dem Dach. Ständige Angst und Hunger. Der Vater erkrankte an Typhus und starb. Vereinsamt fanden sie irgendwelche Bekannten in einem verlassenen Haus. Dank ihrer Hilfe gelang es Zosia nach Lemberg zu fliehen und zu der Mutter zurückzukommen.
Vor dem jüdischen Fest Schawuot im Jahr 1943 ordneten die Nazis in Trembowla die Vertreibung aller Juden an, die Stadt sollte „judenrein“ werden. Zosia und ihre Mutter flohen und versteckten sich in einem Getreidefeld eines nah gelegenen Dorfes. Aber hier waren sie nicht alleine. Zusammen mit anderen Flüchtlingen mussten sie dort bei Regen und Hitze mehrere Wochen ausharren. Sie konnten sich weder waschen noch ihre Kleidung wechseln. Die Bewohner des Dorfes brachten ihnen heimlich Nahrungsmittel in das Feld. Schwieriger war es mit der Versorgung mit Trinkwasser, weil man es nicht einfach abstellen konnte. Um zu Überleben leckten sie morgens den Tau vom Getreide.
Doch jemand hatte sie denunziert. Eine mit der Mutter befreundete Polin konnte sie noch rechtzeitig warnen, so dass sie sofort fliehen konnten. Sie begaben sich in Richtung des Dorfes Humnisk. Auf ihrem Weg kamen sie an einem See vorbei. Darin quakten die Försche. Zosia stützte sich sofort ins Wasser und begann trotz der Warnung ihrer Mutter zu trinken, trinken soviel sie konnte. Trübes und ekelhaftes Wasser schadete ihr nicht. Sogar in der Natur herrschten damals andere Regeln.
"Akcja" (Aktion) on October 5th, 1942. The Jews are deported to the extermination camp Belżec. Among them was my 91 years old grandmother. A German soldier helped her walk to the death train. She didn't refuse. |
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In Humnisk angekommen, konnte sie keine der Bewohner für länger als zwei, drei Tage aufnehmen und Zuflucht geben. Alle Menschen hatten Angst vor der Todesstrafe, die für die Unterstützung und Hilfe für Juden drohte. Als Rettung für die beiden erwies sich die auf dem Feld wachsende Ackerbohne. Sie konnten sich nicht mehr im Getreidefeld verstecken, da gerade Erntezeit war. Damit man sie nicht bemerkte, mussten sie in dem Ackerbohnenfeld liegen bleiben. Um den Hunger zu stillen, pflückten sie die Bohnen. Leere Schoten steckten sie in die mit eigenen Händen ausgegrabenen Erdgruben aus Angst vor dem Besitzer des Feldes, der früher ein guter Nachbar des Opas von Zosia war. Der Opa wurde schon früher ermordet. Der Landwirt wusste von der Anwesenheit Zosias und ihrer Mutter auf seinem Feld. Seine Frau widersetzte sich diesem Umstand. Sie hatte Angst und drängte die beiden, das Feld zu verlassen. Sie hatten keinen Platz, wohin sie gehen konnten, aber sie versprachen der Frau, dass sie in der Früh weggehen würden. An dem versprochenen Morgen verschlief die Mutter. Draußen wurde es schon hell und es war deswegen zu spät, um sich auf den Weg zu machen. Überall waren viele Menschen, sie konnten die beiden bemerken und sie bei der Gestapo denunzieren.
Es war auf jeden Fall eine hoffnungslose und trostlose Lage. Zur Rettung kam ihnen unerwartet ein Traum des Landwirtes zu Hilfe. In seinem Traum sah er den Geist des Nachbarn, dessen Erde er schon seit langer Zeit gepachtet hatte. Der Geist bedrohte und verfluchte ihn. Der Landwirt müsse seiner Tochter und Enkelin Zuflucht geben und er, der Großvater, der Tote wird über die Sicherheit von allen wachen. Der Bauer war ein frommer und abergläubiger Mann. Er wurde einige Male von dem unglaublichen Traum geplagt. Der Traum erschreckte ihn, löste Pein aus, verursachte Gewissensbisse. Er befahl der Frau in das Feld zu gehen und Zosia mit der Mutter in die Scheune zu bringen. Er grub für sie eine Grube, in der sie sich verstecken konnten. In diesem Bunker erlebten sie die Befreiung.
Die Erlebnisse jener Tage macht Zosia in den unzähligen Bildern und Zeichnungen denkwürdig. Jedes von ihr gemalte Bild stellt einen Tag, einen Moment oder eine Weile ihres Lebens dar, ihres Lebens damals. Ein Tagebuch aus den Zeiten, in der man den Juden verboten hatte, zu leben. Ein Tagebuch eines gehetzten Kindes, das mit übermenschlichen Kräften um sein Leben kämpfte. Meistens malt sie die Bilder mit Ölfarbe. Bilder, die die Plätze aufzeichnen, wo sie nicht persönlich war und nur davon gehört hatte, weil sich dort ihre Verwandtschaft versteckt hatte oder ermordet wurde, malt sie mit der schwarzen Tusche. Auf allen Bilder von Zosia ist das Haus des Landwirtes zu sehen und diese Grube des Bunkers in der Scheune. Jedes Bild ist mit einer kurzen Beschreibung versehen, einige bewegende Sätze stehen darunter. Ihre Bilder zeigt Zosia in den Schulen, sie erzählt den Schülern ihre erschütternden Erlebnisse aus der Kindheit, einer Kindheit, die sie praktisch nie hatte. Oft wundern sich die Schüler, dass sie ihre traurigen Bilder in Farbe malte und fragen:
„ War damals auch der Himmel blau?“
Heute lebt sie zusammen mit ihrer Mutter, von der sie sich nie mehr wieder getrennt hat und mit ihrem Mann. Sie haben eine Tochter und drei Enkelkinder. Durch die Flucht und das Wanderleben durch die polnischen Dörfer rettete Zosias Mann sein Leben. Er arbeitete meistens als Hirt bei verschiedenen Landwirten. Er sah nicht wie ein typischer Jude aus. Mit seinen blonden Haaren sah er wie ein Kind des Bauers aus. Niemand wusste wirklich, wer er eigentlich ist.
Zosia malt Blumen sehr gerne. Vielleicht hilft ihr der Anblick ihrer Schönheit sich von den Erinnerungen an die Grausamkeit und den Tod zu befreien?
Übersetzung aus dem Polnischen: Martyna Jednak
On April 7th, 1953 - after the "akcja" (Aktion) in ghetto Lwow. Through the window I watch the people gather the dead and bring them to a mass grave. This took about a day or two. Sophia Kalski née Körbholz. |
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The Colored Diary of Sofia Kalski (Körbholz)
Other Pictures from the Colored Diary of Sophia Kalski - תמונות נוספות מהיומן המצויר של סופיה קלסקי
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Last updated June 21st, 2009